Im Beethoven-Jahr 2020 würdigen wir eine besondere Facette dieses musikalischen ‚Titanen’ mit einer Erweiterung unseres Unterrichts­angebots. Beethoven war zwar einerseits ein kompositorischer Tüftler, dessen Manuskripte mit ihren zahlreichen Korrekturen und Überarbei­tungen von einem oft langwierigen und skrupulösen Prozess der Werk-Entstehung zeugen. Andererseits aber war er als Pianist auch ein genialer Improvisator, der in Klavier-Duellen seine Kontrahenten mit einer verblüffenden Fähigkeit zum musikalischen Extemporieren übertrumpfte.

Als Beitrag zur Wiederbelebung dieser – zumindest im Bereich der klassischen Pianistik – vernachlässigten Kunst des musikalischen Fantasierens aus dem Stegreif erweitern wir ab dem kommenden Schuljahr 2020/21 unsere Palette an instrumentalen Hauptfächern um eine zusätzliche Variante. Als Alternative zum herkömm­lichen Literaturspiel im Hauptfach „Klavier (Interpretation)“ wird es dann auch möglich sein, das Hauptfach „Klavier (Impro­visation)“ zu belegen, in dem die Ausbildung pianistischer Fähigkeiten mit einer speziellen Förderung der musikalischen Erfindungsgabe einhergeht.

Auf die Auseinandersetzung mit den Werken bedeutender Meister verschiedener Epochen soll zwar auch in dieser Hauptfach-Variante nicht völlig verzichtet werden. Aber über ihre spieltechnische und interpretatorische Bewältigung hinaus wird es hauptsächlich darum gehen, sie als Ausgangspunkt und Anregung für eigene improvisatorische und kompo­sito­rische Versuche zu nutzen. Das erarbeitete Formen-Repertoire und die stilistische Bandbreite können dabei, den Neigungen und Interessen der jeweiligen Studierenden folgend, vom kontrapunktischen Renaissance-Bicinium über die barocke Invention, das Klangflächen-Präludium, die klassische Variationsfolge, das romantische Charakterstück bis hin zu modernen, experimentellen oder postmodernen Werk-Konzepten aus Minimal Music, Avantgarde oder Neoklassik reichen. Natürlich wird auch der weite Bereich der Rock-, Pop- und Jazz-Stilistiken Bestandteil des Curriculums sein, aber nicht in dessen Zentrum stehen.

Insofern ist das Haupt­fach „Klavier (Improvisation)“ durchaus als Vorbereitung auf ein Schul­musik-Studium mit Haupt- bzw. Schwerpunktfach „Schulpraktisches Klavierspiel“ konzipiert, wie es etwa Musikhochschulen in Weimar, Freiburg oder Mainz mittlerweile anbieten.

Unabhängig davon will die neue Hauptfach-Variante dazu beitragen, musikalische Ensembleleiter:innen für das Laienmusizieren auszubilden, die spontane Musizierformen wie Circle-Singing, Live-Arrangements oder Flashmobs anleiten können. Dafür braucht es nämlich Pianistinnen und Pianisten, die auch dann einfach mal in die Tasten greifen können, wenn sie ihren Notenkoffer vergessen haben oder wenn es darum geht, ein Publikum nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Mitmachen zu bewegen. In solchen Situationen erweist sich die ausgefeilte Interpretation einer Haydn-Sonate oder Chopin-Etüde meist nur wenig hilfreich.